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Shakespeares Kaufmann

WAS? Im mächtigen Venedig hält der mächtige Kaufmann Antonio seinen Playboy-Vetter Bassanio aus. Für eine standesgemäße Brautwerbung braucht dieser Geld, Risikokapital. Da des Kaufmanns Kapital im Welthandel auf dem Meer unterwegs ist, muss er Kredit beim Juden Shylock nehmen. Der will statt Zinsen ein Pfund Fleisch (als Synonym für Herz - und auch ein guter Titel für das ganze Stück), falls der Rückzahltermin nicht eingehalten werden kann. Die Werbung gelingt: der Playboy bekommt die reiche Erbin Portia. Aber das schwimmende Kapital ist gesunken, der Kaufmann zahlungsunfähig. Der Jude fordert sein Recht: das Herz des Christen. In letzter Minute rettet die reiche Braut, als Anwalt verkleidet, das Leben des Kaufmanns durch präzise Schriftauslegung. Shylock, nun seinerseits um sein Leben fürchtend, wird begnadigt und muss den Glauben wechseln. Abschlussparty glücklicher Paare: scheinbares Happy End. WARUM? Shakespeares Welt war die Bühne seines Londoner Globe. Heute verwandelt die Globalisierung von Handel, Krieg und Frieden, von Macht, Märkten und Medien unseren Globus in eine riesige Bühne: für Komödien, Tragödien, historische Stücke. Alle müssen irgendwie mitspielen, um nicht ins Abseits gestellt zu werden. Es liegt entscheidend am politischen und wirtschaftlichen Management, wie das Stück namens Gegenwart weitergeht. Der Kaufmann von Venedig ist ein Stück unter Kaufleuten. Ein Stück für wagemutige Manager und kluge Managerinnen. Wer noch nicht begriffen hat, wie geschickt eine kluge Frau alle Fäden von Gefühl, Geschäft und Gerichtsprozessen ziehen kann, während die Männer sich im Tagesmanagement abrackern und verhaspeln, der kann es von Portia lernen. Es ist ein Lehrstück über den Einsatz von Risikokapital, was es bewirken kann und wie schrecklich die Risiken sind. Also: Ein Spiel um die Macht des Geldes, des Blutes der Welt. Es geht um Recht, Rache und Gerechtigkeit. Um Treue zum Wort und um Wortklaubereien. Um Verletzungen und Verletzlichkeit. Um Rassismus, Religionen und Empathie. All das, was heute in einer sich neu ordnenden Welt wieder aufeinanderprallt. Die wechselnden Facetten der Geschichte, die wechselnden Standpunkte schaffen Reibflächen, offene Widersprüche, die sich bis in unsere Gegenwart spiegeln. Das Stück ist Porträt einer gespaltenen Gesellschaft, die trotz ihres Wohlstands keine vermittelnde Figur mehr kennt, es wirkt wie ein schlierenfreier Spiegel der aktuellen politischen Bühne. Also: eine bittere politische Farce namens Hier und Jetzt. Oder sollte das Stück doch eher den Titel Das Herz - welches Herz? tragen? Das meint nicht nur Shylocks Mordgier. Das meint auch die von Gott und allen guten Geistern verlassene Spaßgesellschaft. Ihre unter lachenden Masken verborgenen kleinen Verbrechen und großen Lügen. Der Kitt aus Sex & Crime, Geld und Hass, der sie zusammenhält. Und die Gesetzesmaschinerie, mittels derer sie Fremden eine Religion aufzwingt, die sie selbst nicht die Bohne interessiert. Deshalb war die Rolle des Shylock für den jüdischen Schauspieler Fritz Kortner eine Herzensangelegenheit: "Ich brannte darauf, ein Shylock zu sein, der - von der christlichen Umwelt unmenschlich behandelt - in Unmenschlichkeit ausartet." WIE? Der Kaufmann ist ein schwieriges Stück, weil Shakespeare hier unbekümmert Märchen, Liebesgeschichte, Verwechslungsschwank und politische Analyse zusammenführt, das Stück ist schwierig wegen seiner schwer auszuhaltenden antisemitischen Motive (die sich gleichzeitig immer wieder selbst in Frage stellen), es ist schwierig, weil am Ende ein Mensch gebrochen wird, und dann steht Komödie über dieser Geschichte der Abwertung und des Hasses. All diesen Schwierigkeiten wird sich unser Projekt mit offenem Visier stellen. Ausstattung, Kostüme und Spielweise werden heutig sein, ohne vordergründige Modernismen. Eine symbolhafte Zeitlosigkeit soll erreicht werden, die dem Zuschauer das Assoziieren leicht macht. Das Spiel wird ergänzt mit handgemachter Musik (selbstvertonte Lyrik) und mit clownesken Fußnoten zum Thema. Wir inszenieren ein Spiel mit hohem Tempo in einem wandelbarem Bühnenbild, mobil für den Einsatz drinnen wie draußen: im Theaterhaus Rudi ebenso wie in Schlossparks, Sälen und auf Freilichtbühnen. Der Kaufmann ist bereits unser 12. Shakespeare - und klar: wieder mit dem Beweis, dass keine Knoten im Kopf notwendig sind, um Shakespeare lebendig zu halten. Das funktioniert als kraftvolles Shakespeare-Theater in bester englischer Tradition. Der Kaufmann wird unser neues Planwagen-Stück: verpackt auf einem Planwagen, wird es - mit durchaus missionarischem Eifer - im kulturarmen Raum in Kneipen, in Burg- und Schlosshöfen gespielt. Unsere (jährliche) Sommertour ist deutschlandweit (wahrscheinlich sogar europaweit!) einmalig und bildet den Höhepunkt im Vereinsleben von Spielbrett. Sie lockt – so zeigt unsere über 30jährige Erfahrung – neben Shakespeare-Fans auch Publikum an, das sonst kaum ins Theater geht. Spielbrett hat dafür einen unverwechselbaren Stil entwickelt: kräftig, bildhaft, gestisch, ein Shakespeare in hundert Minuten. Das verlangt kühne Textstriche, erarbeitet in der Gruppe, eine Reduzierung auf das Wesentliche. Zur Planwagentour attestierte uns der Landes-Amateurtheater-Verband Sachsen: „Die Organisation und Durchführung der Planwagentour führt unter den Beteiligten zu einem größeren Verständnis über die Theaterarbeit sowie zu einer Festigung der Gruppe. Jedes Mitglied erlebt hautnah, wie wichtig jeder Einzelne für das Gelingen des Vorhabens ist. Über 200 zusammenhängende Stunden ist jeder auf jeden angewiesen. Sie begreifen sich so auch als ein handelndes Ganzes, deren unmittelbare Wirkung nach außen sofort auf sie zurückkommt. Was allgemein als Kulturbotschafter bezeichnet wird, spürt jedes einzelne Mitglied auf Schritt und Tritt über die gesamte Zeit der Tournee.“ Regie wird Ulrich Schwarz führen, für die musikalische Konzeption ist Sandra von Holn angefragt. Neben der professionellen Anleitung sind unsere Stücke stets auch geprägt von den Erfahrungen, Ideen und dem Engagement der einzelnen Spieler, die in der Ausgestaltung ihrer Rollen gewisse Freiheiten haben. Deshalb ist für dieses Projekt nicht nur das Ergebnis wichtig, das der Zuschauer sehen und beurteilen kann und an das wir als Gruppe einen hohen Anspruch stellen, sondern auch der durch die Teilnehmer selbst erarbeitete Weg dorthin, beginnend bei der Wahl der Übersetzung. Die Premiere ist für Mai 2019 geplant, Ende Juli 2019 wird die Planwagentour durch Orte des Osterzgebirges stattfinden.

Projektbeginn01.01.2019
Projektdauer1 Jahr
OrtTheaterhaus Rudi
Wochenstunden4 bis 8
Anzahl der Freiwilligen20
EngagementbereichFamilie, Kinder, Jugend, Bildung, Gesellschaft, Kirche, Politik, Kultur, Musik, Brauchtum

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